Nichts an der Aufmachung des vierten Romans von Siri Hustvedt lässt auf seinen Inhalt schließen: Das reizlose, nichtssagende Einbandbild (gibt es auf dem deutschen Buchmarkt überhaupt gute Bucheinbände?), der unbeholfene Deckeltext, das zurückhaltend lobende Zitat der Frankfurter Rundschau: "Siri Hustvedts eindrucksvollster Roman." Wahr daran ist zumindest die Wortwahl: Eindrucksvoll ist "Was ich liebte", allerdings ist das eine ziemliche Untertreibung. Eher gerät man auf der Suche nach Adjektiven dafür ins Stocken - "psychologisch tiefsinnig" oder "dicht und lebensklug" klingt zwar nett, kratzt aber eben nicht einmal an der Oberfläche dessen, was Hustvedt da rausgehauen hat. Ein einziges Adjektiv fand ich am Ende passend: Es ist ein großes Buch. Groß in Inhalt und Ausdruck, Umfang und Perspektive. Es erzählt mit großem Anspruch eine große Geschichte mit großem Unterhaltungsfaktor. Und dabei gelingt Hustvedt ziemlich mühelos ziemlich viel auf einmal, denn die Lebensgeschichten zweier intellektueller Familien im New Yorker Soho bilden den Rahmen für mehr als ein einzelnes Buch: Was aus der Sicht des Erzählers, des Kunsthistorikers Leo, als glückliche Familiengeschichte beginnt, wandelt sich im Laufe seines Lebens -und des Romans- zur Tragödie und schließlich zum Thriller, absolut nahtlos und glaubwürdig. Außerdem werden die großen Themen des Romans, Kunst, Liebe und Verlust, gleichzeitig psychologisch und intellektuell beackert, ohne jemals akademisch oder gestelzt zu klingen. Überhaupt könnte man bei all der Klugheit, die sie versprüht, übersehen, wie herausragend Hustvedt mit Sprache umgehen kann. Die Figuren sind so plastisch wie ihre Sprache individuell - man bildet sich bei Dialogen fast ein, ohne Angabe erraten zu können, wer spricht. Daneben zeichnet Hustvedt eine Chronologie der New Yorker Kunstszene von den Siebzigern bis zur Jahrtausendwende nach und entwirft das erschütternd realistische Portrait einer antisozialen Persönlichkeit - und noch so vieles mehr, was ich gar nicht vorwegnehmen möchte. Lest das Buch bitte gefälligst selbst.
Der vielleicht einzige Grund, warum man "Was ich liebte" vielleicht vorzeitig aus der Hand legen könnte: Es ist so intellektuell und ambitioniert wie seine Charaktere, und fordert deshalb einen Leser auf Augenhöhe. Wer nicht offen ist für Kunst oder kein Interesse hat, etwas zu lernen, dürfte sich langweilen. Und wäre gut beraten, das für sich zu behalten, denn in diesem Roman keine Perle zu erkennen, bedeutet schon irgendwie, sich zur Sau zu stempeln.
Der vielleicht einzige Grund, warum man "Was ich liebte" vielleicht vorzeitig aus der Hand legen könnte: Es ist so intellektuell und ambitioniert wie seine Charaktere, und fordert deshalb einen Leser auf Augenhöhe. Wer nicht offen ist für Kunst oder kein Interesse hat, etwas zu lernen, dürfte sich langweilen. Und wäre gut beraten, das für sich zu behalten, denn in diesem Roman keine Perle zu erkennen, bedeutet schon irgendwie, sich zur Sau zu stempeln.
Bewertung: 9,5 von 10
Lesezeit: 6 Tage
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