Effektvolle Vorführung

Erin Morgensterns Erstling "Der Nachtzirkus" verspricht viel. Der Buchklappentext spricht vom "Roman, der Amerika begeistert" (Platz 1 der Bestsellerliste), Audrey Niffenegger erklärt, er habe sie glücklich gemacht, und euphorische Zitate der großen US-Feulletons zieren die Buchrückseite. Ullstein hat sich mit der Auflage Mühe gegeben; das schwarz-weiß gestreifte Design greift die Ästhethik des magischen Zirkus' aus dem Inhalt auf. Ich gebe zu, bei mir hat es gewirkt - ich habe mich euphorisch darauf gestürzt. Und ich kann nicht sagen, dass ich enttäuscht worden wäre. Der komplexe Aufbau der Geschichte um ein Magier-Liebespaar tut der Spannung keinen Abbruch; die Handlungsstränge bleiben nachvollziehbar, und wer konzentriert liest, erlebt immer wieder schöne Überraschungsmomente, wo er gekonnt in die Irre geführt wurde. Obwohl die Figuren zu Beginn der Handlung recht eindimensional daherkommen, entwickelt man doch im Laufe der Geschichte eine Sympathie für die Helden - genug, um auf einen guten Ausgang zu hoffen - wenn auch für mich zu wenig, um wirklich mitzufiebern. Denn so solide die Story, so wohldurchdacht und detaillreich die komplizierten Magierwelt auch ist - von dem betörenden Zauber, der so hoch gelobt wird, spürt man eher nur einen Hauch. Morgenstern baut zwar ein beeindruckend einfallsreiches phantastisches Konstrukt, aber es gelingt ihr nicht, dieses auch atmosphärisch zu füllen. Es fehlen die Lücken zwischen den Worten, wo der Leser seine eigenen Konnotationen und Gefühle einbringt, so dass die Zirkuswelt auch zu seiner eigenen wird.

Eindeutig ist "Der Nachtzirkus" eine charmante Geschichte mit großem Potential und allen Zutaten eines Hollywood-Hits -fast zwanghaft musste ich beim Lesen immer wieder darüber nachdenken, welche Schauspieler die verschiedene Charaktere am besten darstellen könnten- aber genau wie diese Blockbuster könnte er für meinen Geschmack ein klein bisschen weniger Effekt und  mehr literarische Tiefe vertragen.


Bewertung: 7,5 von 10

Lesezeit: 12 Tage

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